Begriff
Der Begriff Greenwashing ist bereits viele Jahre alt. Er reicht zurück in die Zeit des Umweltaktivismus der 1970er und 1980er Jahre[1]. Die wahrscheinlich bekannteste Definition für „Greenwashing“ stammt aus dem Oxford Dictionary, welcher den Begriff 1999 wie folgt festlegte:
“Greenwash: disinformation disseminated by an organization so as to present an environmentally responsible public image”[2]
Man bezeichnet damit das Verbreiten falscher Informationen, etwa in der Werbung und in der Öffentlichkeitsarbeit, mit dem Ziel, einem Unternehmen oder einem Produkt ein besonders umweltfreundliches Image zu verleihen. Falsch sind die Informationen insofern, als dass die entsprechenden umweltbezogenen Kriterien nicht umfassend erfüllt sind.
Ob Greenwashing stets vorsätzlich bzw. absichtlich erfolgen muss, oder auch aufgrund mangelnder Abklärungen oder Unvorsichtigkeit/ Naivität bzw. mangelnder Sensibilität vorkommen kann, ist umstritten. Die Grenzen zwischen gut gemeinter und bewusst irreführender Information sind sicherlich nicht immer klar definierbar. Deshalb können auch ehrlich gemeinte Umweltaussagen von kritischen Interessengruppen als Greenwashing interpretiert werden.
Formen
Verbal und non-Verbale Kommunikation
Greenwashing existiert in vielen möglichen Formen und Ausprägungen. Und natürlich gibt es unzählige Möglichkeiten der Manipulation von Konsumenten.
Wenn man über Greenwashing spricht, so bezieht man sich in aller Regel auf Schlagwörter und Sätze. Wir werden hierzu etwas weiter unten einige Beispiele sehen[3]. Allerdings erfolgt Greenwashing mitunter weitaus subtiler, als durch blosse Slogans. Es wäre falsch, Greenwashing auf Werbetexte zu reduzieren.
Beispielsweise erfolgt Kommunikation zu einem grossen Teil nonverbal. Deshalb findet man häufig Ausprägungen von Greenwashing gerade auch bei Bildern. Man kennt die Hintergrundbilder unberührter Landschaften, wachsender Pflanzen, strahlender Babys nur allzu gut.
Vom Greenwashing zum Bluewashing
Seit den Anfängen des Greenwashing hat sich insbesondere rund um das Thema Nachhaltigkeit vieles getan. Im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen nicht mehr bloss das grüne, auf ökologische Themen ausgelegte Gedankengut. Seit Ende der 90’er Jahre beherrscht ebenso die Globalisierung und ihre negativen ökonomischen und sozialen Auswirkungen die Debatten über Nachhaltigkeit. Soziale und ökonomische Nachhaltigkeit ergänzen die ökologische Nachhaltigkeit als gleichberechtigte Wesenselemente.
„Die Globalisierung beherrschte die Debatten über Nachhaltigkeit, Globalisierung, sozialer Gerechtigkeit und schließlich globale Governance, die mit der Initiative der Vereinten Nationen korreliert. […] Die Vereinten Nationen etablierten sich als moralische Autorität für globale Werte und Gerechtigkeit und die Aktivitäten der UN präsentierten sich der Öffentlichkeit in einem einheitlichen Blau, das die Flagge der UN ebenso dominiert wie die sprichwörtlichen Blauhelme. So geht die Erfindung des Bluewash-Begriffs zunächst auf humanitäre Interventionen zurück, wurde jedoch mit Einführung des Global Compacts, einer von der UN gestarteten Initiative einer globalen Wertekultur, auch für wirtschaftsethische Zwecke relevant. 1999 präsentierte der damalige Generalsekretär Kofi Annan den Global Compact mitsamt seiner zehn Prinzipien auf dem World Economic Forum in Davos..“[4]
Als prägnantes Beispiel, wo Blau die Umweltwerbung beherrscht und sich in der Produktkommunikation niederschlägt, wird immer wieder die Automobilbranche erwähnt. Seit 2007 werden etwa als besonders umweltfreundliche erachtete Dieselkonzepte unter Namen wie Bluetec (Mercedes-Benz) und Bluemotion (VW, Audi) vermarktet.
„Bluewashing“ sei an dieser Stelle exemplarisch erwähnt, um das Thema „Greenwashing“ in seiner Vielfältigkeit herauszuarbeiten. Es gibt noch weitere bekannte Nomenklaturen, wie beispielsweise den Begriff „Sweatwashing“[5]. Die spezifische Farbe oder Begrifflichkeit sind letztlich für das Phänomen als solches irrelevant.
Problematik
Greenwashing als Form des Betrugs
Vorsätzliches Greenwashing verkörpert eine Form von Täuschung und legt in diesem Sinne die Grundlage für einen Betrug. Der Kaufentscheid des Konsumenten basiert auf einem Tatsachenirrtum. Verträge, welche aufgrund eines Tatsachenirrtums geschlossen wurden, können in der Regel rückgängig gemacht werden. Die einzelnen nationalen Gesetze liefern hierzu das notwendige Fundament.
Finden Formen von Betrug systematisch statt, so fordert die Gesellschaft in der Regel vom Staat ein Eingreifen. Inwiefern es sich bei Greenwashing um einen systematischen Betrug handelt, bzw. wo eine konkrete und rechtfertigbare Handlungsnotwendigkeit für die Behörden besteht, ist natürlich umstritten.
Unabhängig der juristischen Konsequenzen ist es aber zumindest moralisch sehr fragwürdig.
Greenwashing zerstört den Marktmechanismus
Aus volkswirtschaftlicher Sicht gibt es jedoch eine weitere wichtige Konsequenz. Viele Konsumenten bevorzugen „grüne“ bzw. nachhaltige Produkte.
Durch Greenwashing verlieren jedoch grüne Werbebotschaften bzw. Signale an Glaubwürdigkeit. Die Konsumenten wird dadurch die Grundlage zum Fällen ihrer Kaufentscheidungen entzogen. Selbst wenn Konsumenten das Bedürfnis nach „grünen“ Produkten haben, können sie nicht beurteilen, ob es sich im spezifischen Fall in der Tat um ein grünes Produkt handelt. In der Konsequenz geht das Vertrauen der Konsumenten verloren und die Unsicherheit nimmt zu.
Im schlimmsten Fall reagieren verunsicherte Konsumenten mit einer Antipathie und beginnen Produkte mit „grünen Werbebotschaften“ zu meiden, obwohl sie grundsätzlich einmal solche Produkte bevorzugt hätten. Greenwashing untergräbt dann seinen eigenen Markt, auf welchen es eigentlich abzielt.
Ursachen des Greenwashing
Green ist im Trend. Kunden belohnen „grüne“ Produkte, indem sie konventionelle Produkte über ihre Kaufentscheidungen durch „grüne“ Produkte substituieren und dabei mitunter sogar bereit sind, einen Mehrpreis zu bezahlen.
Offensichtliches Greenwashing dagegen, ist es erst einmal im Bewusstsein der Öffentlichkeit, wird bestraft. Schnell kann ein sorgfältig aufgebautes Image innert kürzester Zeit zerstört sein.
Trotzdem scheint Greenwashing, entgegen dem scheinbaren Bedürfnis vieler Konsumenten, allgegenwärtig. Eine Studie[6] hat gezeigt, dass über 95% aller „grünen“ Produkte mindestens eine von sieben Greenwashing Sünden begehen.
Woher also stammt diese Diskrepanz und wieso betreiben ganz offensichtlich, wenn auch in abnehmender Tendenz,[7] fast alle Firmen Greenwashing?
Mögliche Motive beinhalten:
- ein grünes Produkt hat an sich schon ein besseres Image, da das gute Gewissen mitverkauft wird. (Stichwort auch: Prestigeobjekt Bio-Einkaufswagen.)
- Ein ökologisch hergestelltes Produkt rechtfertigt einen höheren Preis.
- Wenn glaubhaft gemacht wird, dass gewisse Standards freiwillig von der Wirtschaft eingehalten werden, dann ist die Politik u.U. weniger »grosszügig« mit strengen Regulierungen der Umweltwerte.
- Für Politiker ist die Frage etwas leichter zu beantworten: Unsere gewählten RepräsentantInnen wollen uns ihre eigenen Ideen und Strategien schmackhaft machen.
Die 7 Sünden des Greenwashing
Seit 2006 untersucht die Firma TerraChoice Environmental Marketing Inc. Greenwashing auf dem nordamerikanischen Kontinent. In einer Studie aus dem Jahre 2010[8] werden Greenwashing Verfehlungen in 7 Sünden-Kategorien klassifiziert. Diese sind namentlich:
- Sin of the Hidden Trade-Off
- Sin of No Proof
- Sin of Vagueness
- Sin of Irrelevance
- Sin of Lesser of Two Evils
- Sin of Fibbing
- Sin of Worshiping False Labels
Wie bei jeder Kategorisierung kann man sich über die Kriterien oder die Gruppenbildung streiten. An dieser Stelle seien die sieben Sünden exemplarisch erwähnt, weil sie spezifische Punkte hervorheben, welche immer wieder in der Umweltkommunikation im Zusammenhang mit Kunststoffen zum Thema werden.
Sin of the Hidden Trade-Off: faule Kompromisse
Die Sünde fauler Kompromisse bezieht sich auf das besondere Hervorheben einiger umweltfreundlicher Produktmerkmale, um damit andere, wichtigere und umweltbelastende Produkteigenschaften zu verschleiern. Erstere haben in einer ganzheitlichen Betrachtung eine untergeordnete Bedeutung.
Namhafte Hersteller von Biowerkstoffen sehen im Einsatz von oxo-bioabbaubarer Polyethylen Taschen einen faulen Kompromiss. Die oft mit dem Slogan „biologisch abbaubar“ vermarkteten Beutel zersetzen sich in der freien Natur und reduzieren dadurch die Folgen des Litterings im Sinne eines unschönen Landschaftbilds. Allerdings findet ein eigentlicher Endabbau des Materials nicht statt, was zur Akkumulation von PE Kleinstpartikeln in der Lebenswelt vieler Organismen führt. Darüber hinaus wurden zur Initiierung des Primärabbaus teilweise Schwermetalle eingefügt.
Sin of No Proof: nicht überprüfbare Aussagen
Die Sünde nicht überprüfbarer Aussagen bezieht sich auf die Vorgabe einer umweltfreundlichen Eigenschaft ohne die Möglichkeit eines entsprechenden Nachweises. Umweltrelevante Aussagen sollten im Idealfall jederzeit überprüfbar sein. Bei einer entsprechenden Nachfrage muss dann ein Beweis erbracht werden können.
Heikel ist beispielsweise der Vermerk „GMO free“, zumal der Konsument keine Chance hat, die Angabe in der Tat zu überprüfen. Ebenso die Angabe „mit rezykliertem Anteil“ oder der Slogan „biologisch abbaubar“, ohne dass ein entsprechendes Label verwendet wird. Die Verwendung von anerkannten Labeln, sofern solche für die spezifische Eigenschaft überhaupt existieren, ist mitunter ein gutes Mittel, um sie „Sin of No Proof“ zu vermeiden.
Sin of Vagueness: unklare Aussagen
Unklare, unscharfe oder mehrdeutige Formulierungen, welche den Konsumenten letztlich nur verwirren, sollten vermieden werden. Sie lassen oft mehr Fragen offen, als sie in der Tat beantworten.
Typische Formulierungen beinhalten etwa den Slogan „umweltfreundlich produziert“, „klimafreundlich“ oder „natürliche Rohstoffe“. Es sind keine wirklich greifbaren Informationen. Allgemeinbegriffe wie „grün“, „natürlich“, „nachhaltig“ etc. bergen stets die Gefahr einer unklaren Aussage. Sie bedürfen im Idealfall einer Ergänzung wie beispielsweise „nachhaltig im Sinne einer biologischen Abbaubarkeit nach DIN EN 13432“.
Sin of Irrelevance: irrelevante Aussagen
Irrelevante Aussagen betonen eine richtige, aber im Kontext nicht wesentliche Produkteigenschaft. Bei der Kommunikation sollte man sich auf wenige, wichtige Produkteigenschaften konzentrieren.
Typische Formulierungen beinhalten beispielsweise den Slogan „nach ISO 9001:2000 produziert“. Dies ist im Kontext irrelevant, weil es als Umweltaussage irreführend ist. Oder der Text: „frei von PBT Substanzen“, weil solche für Biowerkstoffe verboten sind.
Es ist aber nicht immer einfach, relevante von nicht relevanten Informationen zu trennen. Beispiel ist der Werkstoff Polyethylen grundsätzlich rezyklierbar. Die Eigenschaft ist gewissermassen im Namen Polyethylen schon vorhanden. Trotzdem macht es in diesem Fall oftmals Sinn, darauf hinzuweisen. Einerseits ist dieser Zusammenhang vielen Personen nicht bewusst, andererseits lässt sich damit der Recyclinggedanken dauerhaft zu fördern.
Sin of Lesser of Two Evils: das kleinere Übel betonen
Das Hervorheben einzelner positiver Produkteigenschaften, um von grösseren negativen Eigenschaften abzulenken, ist offensichtlich eine Form der Irreführung.
Ein Beispiel findet sich im LCA Assessment, bzw. in der „Cradle to Grave“ Betrachtung der CO2-Emissionswerte eines Produkts. So ist der Slogan „besonders klimafreundlich dank sehr tiefer CO2-Emissionswerte in der Produktherstellung“ irreführend, wenn der verwendete Rohstoff seinerseits bei seiner Herstellung zu einer hohen CO2-Emission führt. Diskutiert wird beispielsweise, ob das in Südamerika hergestellte Green PE hierzulande als „umweltfreundlich“ bezeichnet werden darf, muss es doch zuerst nach Europa transportiert werden.
Sin of Fibbing: falsche Aussagen
Die Sünde falscher Aussagen bezieht sich auf die Angabe von umweltfreundlichen Charakteristika, welche falsch sind. Solche unkorrekten Aussagen oder missbräuchliche Verwendungen von Labels sind offensichtliche Varianten von Greenwashing.
Sin of Worshiping False Labels: nicht anerkannte oder falsche Labels verwenden
Die Verwendung nicht anerkannter Fantasielabels führt zu noch mehr Verwirrung im Label-Dschungel. Private Eco-Labels von Herstellern und selber selber kreierte Labels haben auf Verpackungsprodukten nichts zu suchen. Der Sinn und Zweck eines Labels besteht ja gerade in der Aufstellung von Kriterien und derer Überprüfung durch anerkannte, unabhängige Organisationen.
Fussnoten:
[1] Der Energiekonzern Exxon behauptete beispielsweise, dass Tiefseebohrungen gut seien, weil sie Riffe hervorbringen, welche den Lebensraum für Fische bilden. Solche und ähnliche rhetorische Botschaften führten dann findige Organisationen wie Greenpeace dazu, Kampagnen dieser Art als Greenwashing zu bezeichnen. Siehe hierzu Donohoe (2006)
[2] siehe Oxford Dictionary (1999)
[3] siehe Abschnitt „die 7 Sünden des Greenwashing“.
[4] siehe Heidbrink (2007), Seite 4
[5] der Begriff richtet sich gegen Kinderarbeit, schlechte Arbeitsbedingungen etc.
[6] siehe TerraChoice (2010), Seite 16. ebenso nachfolgend …. 7 Sünden
[7] siehe TerraChoice (2010), Seite 6
[8] TerraChoice (2010), Seite 10. The Sins of Greenwashing: Home and Family Edition. Zugänglich unter www.sinsofgreenwashing.org
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